Qualitätssicherung durch Selbstinspektionen | Dr. Josef Landwehr und Ruven Brandes im Podcast Talk

Autor: Chiara Cosentino

Letzte Änderung: 22.07.2024

Selbstinspektionen sind ein unverzichtbares Werkzeug zur Sicherstellung der Einhaltung von Qualitätsstandards und zur kontinuierlichen Verbesserung in der pharmazeutischen Industrie. Sie ermöglichen es Unternehmen, potenzielle Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor externe Audits oder Behördeninspektionen stattfinden.

In der 20. Folge des GMPodcasts haben wir zwei Experten zu Gast: Dr. Josef Landwehr und Ruven Brandes. Dr. Landwehr, erfahrener Apotheker und Berater, wird zusammen mit Ruven Brandes in einem spannenden Interview tiefer in die Thematik eintauchen. Sie diskutieren die Effektivität von Selbstinspektionen, geben wertvolle Tipps zur Durchführung und sprechen über die Herausforderungen und Chancen, die mit diesem Prozess verbunden sind.

Ruven Brandes: Ich begrüße Sie heute zur GMPodcast Serie GMP Spezial mit dem Thema „Selbstinspektion“. Zu Gast bei uns ist Dr. Josef Landwehr.

Wir wollen in Erfahrung bringen, was es Interessantes zum Thema „Selbstinspektionen“ gibt. Bitte stelle Dich zunächst kurz selbst vor.

Dr. Josef Landwehr: Mein Name ist Josef Landwehr. Ich bin Apotheker, seit fast 30 Jahren im Pharmageschäft tätig und seit ca. 13 Jahren selbstständig. Ich berate einerseits Unternehmen und führe andererseits, in Zusammenhang mit PTS Training Service, Trainings zu verschiedensten Themen im GMP- und GDP-Umfeld, durch.

RB: Dadurch hast Du sicherlich große Erfahrung mit Selbstinspektionen?

JL: Ja, ich führe diese auch beratend in verschiedenen Unternehmen durch.

Effektivität von Selbstinspektionen

RB: Selbstinspektionen sind grundsätzlich gefordert. Wie bewertest Du deren Effektivität?

JL: Viele Firmen setzen sie um, weil es eine rechtliche Forderung ist. Sie verkennen aber die Chance, die dahintersteht, sich auf dem Qualitätsstandard „X“ zu halten oder sich sogar kontinuierlich zu verbessern. Es stellt sich die Frage, wie sie verbessert werden kann bzw. wie sinnvoll es ist, dass sie auch mit qualitativ hochwertigen Mitarbeitern ausgestattet ist. Der GMP-Leitfaden verlangt u. a. auch die Förderung einer kontinuierlichen Verbesserung. Dazu soll die Selbstinspektion dienen.

RB: Wie muss eine Selbstinspektion in einem Unternehmen Deiner Meinung nach aufgebaut sein, damit es auch effektiv funktioniert?

JL: Meiner Meinung nach kann man nur dann kontinuierlich etwas verbessern, wenn die Selbstinspektion effektiv genutzt wird.

Erfahrungsgemäß werden in Unternehmen oft die gleichen Bereiche besucht und die gleichen Fragen gestellt. Um zu vermeiden, dass sich dadurch die betroffenen Bereiche auf die Fragen einstellen können, sollten unterschiedliche Themen angesprochen und unterschiedliche Fragen gestellt werden. So werden aus den tatsächlichen Fragen Verbesserungsmöglichkeiten erkannt.

Wir hatten vorhin kurz das Thema „Checklisten“ angerissen: Ich nenne „Checklisten“ lieber „Gesprächsleitfaden“. Anstelle als Auditor bei einer Selbstinspektion Fragen abzuhaken, orientiere ich mich an diesem Leitfaden, um bestimmte Themen anzusprechen. Auditoren, die Selbstinspektionen durchführen, müssen natürlich für die Bereiche auch qualifiziert sein.

Qualifikationen und Unabhängigkeit der Auditoren

RB: Wie qualifiziert müssten sie eigentlich sein? Kann jemand aus dem QS-Bereich, der hauptsächlich im SOP-Wesen tätig ist, qualitativ hochwertig die Produktion prüfen?

JL: Das kommt auf seinen Background an. Ich persönlich führe keine Audits in Bereichen durch, in denen ich mich fachlich nicht auskenne. Das heißt, man sollte die regulatorischen Anforderungen der Themen und Bereiche, in denen Selbstinspektionen durchgeführt werden, kennen. Zudem sollte man als Auditor mindestens ein Jahr im betroffenen Unternehmen beschäftigt sein und dessen Gepflogenheiten und Abläufe kennen.

Ebenso muss in der SOP festlegt sein, welche Qualifikation von den Auditoren erwartet wird.

RB: Müssten sie nicht eigentlich auch eine Auditorenausbildung haben? Können Personen in einem Unternehmen, in dem sie als Kollegen tätig sind, unabhängig und ohne fundierte Ausbildung, z. B. als Auditor, eine Selbstinspektion durchführen?

JL: Es kommt drauf an.

Eine Qualified Person muss ohnehin u. a. die Prozesse kennen. Wenn sie selbst Selbstinspektionen durchführen würde, ist die Qualifikation weniger eine Frage der fachlichen Kompetenz. Hier spielt dann auch die Kommunikationsfähigkeit eine Rolle.

Wir führen bei PTS Auditorentrainings durch. Dort entfällt ein großer Anteil auf das Thema Kommunikation. Soft Skills gehören einfach dazu, z. B., um bei internen Audits und Selbstinspektionen deeskalieren zu können.

RB: Ja, und vor allem, wie man nach der Selbstinspektion auftritt, wenn man sich anschließend zum Kaffee mit Kolleg:innen trifft.

JL: Das kommt sicher auch mal vor.

Die Norm ISO 19011 zur Auditierung von Managementsystemen, fordert eine Unabhängigkeit von dem Bereich. Die Frage ist, wie Unabhängigkeit definiert ist. Darf man nur nicht im gleichen Bereich tätig sein oder ist es noch mehr?

Man kann meines Erachtens bei Selbstinspektionen nicht komplett unabhängig sein. Ein wichtiger Aspekt ist, auch bei guten Kolleg:innen standhaft zu bleiben, und Abweichungen dennoch zu protokollieren.

Neben der Qualifikation ist es wichtig, sich in dem Bereich auszukennen und über Hintergrundwissen dazu zu verfügen. Wie schon gesagt, sollten nicht jedes Mal die gleichen Fragen gestellt werden. Vielleicht sollten bei Selbstinspektionen die Auditoren in den Bereichen regelmäßig wechseln.

Selbstinspektionen als gemeinsame Chance

RB: Wichtig ist, dass diese Selbstinspektionen einen wichtigen Stellenwert im Unternehmen erlangen. Das Management soll erkennen, dass es kein Muss, sondern eine Chance zur Verbesserung ist. Gefordert ist ein kollegialer Umgang miteinander, weil alle das gleiche Ziel der Verbesserung anstreben.

JL: Das hilft sicher weiter, und das muss – das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt – von der Geschäftsführung gelebt werden. Der gemeinsame Wille und das gemeinsame Ziel müssen vorhanden sein und die QS, die sehr häufig die Selbstinspektionen durchführt, muss als konstruktiver Partner und nicht als die Polizei wahrgenommen werden.

Es geht in Selbstinspektionen nicht um evtl. Schuldzuweisungen, sondern darum, gemeinsam aus Fehlern zu lernen und besser zu werden. Das muss verinnerlicht sein. Auch die Auditoren, müssen dieses gemeinsame Ziel zeigen und mit den Auditierten auf Augenhöhe agieren.

RB: Das ist auch meine Meinung, passiert aber automatisch, wenn es von der Geschäftsführung forciert und die gemeinsame Verbesserung im Unternehmen gelebt wird.

JL: Genau, das ist für mich letztendlich ein ganz wichtiger Aspekt.

Unterschied zwischen Selbstinspektion und internem Audit?

JL: Aber ich habe eine Frage an Dich: Was ist der Unterschied zwischen einer Selbstinspektion und einem internen Audit?

RB [denkt nach]: Für mich ist ein internes Audit eine Vorbereitung auf ein Audit oder auf eine Inspektion, und eine Selbstinspektion findet für mich in einer Fachabteilung statt: Wo stehen sie und wie stehen sie?

JL: Ganz unterschiedliche Definitionen, oder? Ich würde sagen, es gibt keinen Unterschied.

In der ISO-Welt, wie z. B. der ISO 19011, der ISO 9001, der ISO 13485 für Medizinprodukte, wirst Du den Begriff der Selbstinspektion nicht finden.

Das ist ein internes Audit. In der GMP-Welt hingegen gibt den Begriff des „internen Audits“ nicht, sondern nur den Begriff der Selbstinspektion mit wenigen Ausnahmen.

Es wird in Unternehmen, so wie Du beschrieben hast, ganz unterschiedlich genutzt. Im Prinzip ist es beides das Gleiche. Ich überprüfe mich als Unternehmen selbst, aber nicht als Abteilung.

RB: Wenn ich diese Verschiebung habe, sind das unterschiedliche Fragestellungen, was ich auch nicht gut finde.

Wenn ich eine Selbstinspektion mache, muss ich die Inspektionen durchführen, wie sie ein Auditor oder Inspektor durchführen würde, oder?

JL: Absolut.

Häufigkeit von Selbstinspektionen

RB: Ich habe auch schon ganz oft erlebt, dass die Selbstinspektionen auf einem viel niedrigerem Niveau oder auch in eine falsche Richtung laufen, weil sie einfach zu papierorientiert sind.

JL: Aber das macht ja keinen Sinn. Du hattest vorhin schon nach dem Grund von Selbstinspektionen gefragt. Ich mache sie nicht, weil ich sie machen muss, sondern weil ich mich selbst verbessern möchte.

Selbstinspektion führe ich auch als Vorbereitung auf eine Behördeninspektion durch, weil es immer besser ist, die Fehler selbst schon zu finden, bevor der Inspektor sie hinterher findet.

RB: Selbstinspektionen als Vorbereitung für Behördeninspektionen finde ich nicht so gut, denn sie sollen in regelmäßigen Abständen stattfinden.

JL: Ja, natürlich. Aber, ergänzend zu den regelmäßigen Selbstinspektionen, als Vorbereitung auf Inspektionen oder Audits, sind sie schon sinnvoll. Die regelmäßige Durchführung ist auch gefordert. Was heißt aber regelmäßig?

RB: Ich finde die Abstände oftmals viel zu lang.

JL: Richtig, oder auch zu kurz.

Ich habe die Erfahrung gemacht, das Unternehmen zwar beabsichtigen, einmal im Jahr Selbstinspektionen durchzuführen, auf Nachfrage aber zugeben, es doch nicht zu schaffen.

Dann ist es sinnlos, in der SOP zu vermerken, dass man jährlich Selbstinspektionen durchführt. Stattdessen sollte man sie risikobasiert festlegen, aber auch leben. Es hilft uns einfach auch, um Kapazitäten sinnvoll zu nutzen.

RB: Einen Pharmaeinkauf z. B. muss ich sicherlich mit der Selbstinspektion nicht so häufig belegen wie eine Produktion.

JL: Absolut, das meine ich mit risikobasiert.

Die häufig maximal akzeptierte Zeit zwischen zwei Selbstinspektionen, sind drei Jahre. Wenn bei der Selbstinspektion im laufenden Jahr, z. B. im Einkauf, gravierende Fehler festgestellt wurden, darf nicht 3 Jahre bis zur nächsten Inspektion gewartet, sondern muss im Folgejahr wieder geprüft werden.

Die Produktion z.B. ist ohnehin kritisch und muss jedes Jahr geprüft werden.

RB: Aber sollten die Prüfintervalle für kritische Bereiche nicht sogar kürzer sein? Meiner Meinung nach ist in der Produktion eine Selbstinspektion im Jahr eigentlich viel zu wenig.

JL: Du kannst die Intervalle immer verkürzen, wobei die Möglichkeiten immer auch eine Frage der Kapazitäten sind.

Bei Feststellung eines geregelten, mängelfreien Ablaufs in der Produktion kann man die Intervalle natürlich auch hier ausweiten.

Bei schwerwiegenden oder häufigen Abweichungen kann eine entsprechende Selbstinspektion mit dem Fachbereich zusammen durchgeführt werden, um die genaueren Ursachen zu ermitteln, um besser zu werden. Die Selbstinspektion ist für mich ein wichtiger Aspekt.

RB: Ja, für mich nämlich auch. Sie wird viel zu oft stiefmütterlich und als Muss behandelt.

JL: Die Selbstinspektion sollte meiner Meinung nach verinnerlicht werden als Antrieb, sich als Bereich oder als gesamtes Unternehmen zu verbessern, und nicht, weil sie behördlich vorgeschrieben ist.

Leider wird das nicht überall so gesehen.

RB: Es ist ein schwieriges Thema, weil es so einen „Muss“-Charakter hat.

JL: Definitiv, aber es hilft tatsächlich oder kann zumindest helfen, wenn man es sinnvoll angeht.

Ebenso wichtig ist, im Vorfeld sauber und zielgerichtet einen Selbstinspektionsplan zu erstellen.

Interne oder externe Selbstinspektion?

RB: Eine Frage zum Abschluss:

Wäre nicht eine externe Vergabe der Selbstinspektion effektiver, als sie von Internen durchführen zu lassen (sofern es kein Unternehmen wie das eben beschriebene ist), z. B. an jemanden wie Dich, um kollegiale Verwicklungen und Rangunterschiede zu vermeiden?

JL: Es kommt drauf an.

In kleineren Unternehmen macht eine interne Selbstinspektion, z. B. durch den Geschäftsführer oder die verantwortliche Person, die die SOPs selbst erstellt, keinen Sinn. Hier sollte man auf eine externe Person zurückgreifen. Trotzdem kann man intern das Ganze noch einmal bewerten.

Größere Unternehmen haben die Möglichkeit, jemanden aus einem anderen Bereich oder sogar einem anderen Standort zu betrauen. Man muss nicht unbedingt einen externen Berater beauftragen: Wenn der Mutterkonzern die Selbstinspektionen durchführt, findet die Prüfung quasi durch eine externe Person statt.

RB: Aber hat nicht ein realer Externer, da er nicht befangen ist, doch nochmal einen anderen Stellenwert und ein anderes Durchsetzungsvermögen? Er kommt rein und auditiert oder inspiziert.

JL: Du musst natürlich dann nur aufpassen, und ich stimme Dir zu: Der GMP-Leitfaden besagt, dass man Externe beauftragen darf. Dieses darf aber nicht als Ersatz für die Selbstinspektion dienen. Ein Externer würde sonst faktisch ein Audit bei Dir durchführen. Behördenvertreter würden das ebenfalls als Audit durch einen externen Berater werten.

RB: Der Leitfaden zwingt uns also ein Stück weit, uns selbst mit unseren Prozessen zu beschäftigen?

JL: Ja genau, ich finde es absolut sinnvoll, es so zu gestalten. Und noch etwas: Wenn jemand Externes die Selbstinspektion durchgeführt hat, ist es wichtig, intern eine Bewertung des Berichtes und der Ergebnisse vorzunehmen.

RB: Ich fasse zusammen: Eine externe Inspektion ist also in Ordnung, beinhaltet aber nicht den Verzicht auf eine interne.

Also sofern, vielen Dank, Josef. Ich freue mich auf die nächsten Folgen mit Dir und wünsche jetzt erstmal alles Gute und: Bleiben Sie gesund!

Disclaimer

Die Darstellungen bilden den aktuellen Kenntnisstand, bzw. die Sichtweise des Vortragenden ab und dienen der Informationsvermittlung. Sie entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung von Behörden, Inspektoren oder Auditoren. Obwohl sie mit großer Sorgfalt erstellt wurden, kann in Bezug auf die inhaltliche Richtigkeit, Genauigkeit, Aktualität, Zuverlässigkeit und Vollständigkeit dieser Informationen keine Gewährleistung übernommen werden.

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